Fachkräfte stehen oft vor der Herausforderung, mit unmotivierten oder widerständigen Klient:innen zu arbeiten. Dieses Thema hat in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung gewonnen, da es nicht nur Therapeuten und Coaches betrifft, sondern auch in der Sozialarbeit und dem Coaching immer häufiger auftritt. Menschen zeigen manchmal wenig Bereitschaft zur Veränderung, doch genau hier liegt das Potenzial der systemischen Methoden. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Grundprinzipien, die wichtigsten Methoden und die Vorteile der Arbeit mit unmotivierten Klient:innen. Besonders für Fachkräfte, die sich weiterbilden möchten, bietet dieser Einblick hilfreiche Ansätze, die sowohl die Klient:innen als auch die Berater:innen bereichern können.
Was sind unmotivierte Klient:innen? – Definition und grundlegende Prinzipien der systemischen Arbeit
Definition und Herausforderung
Unmotivierte Klient:innen sind Menschen, die zu Beratungen oder Therapien kommen, ohne von sich aus eine Veränderung anzustreben. Häufig wird der Anstoß zur Beratung von außen gegeben, etwa durch eine (gerichtliche) Anordnung oder den Wunsch nahestehender Personen. Solche Klient:innen sind oft skeptisch gegenüber dem Nutzen der Beratung und es liegt an der Fachkraft, eine Verbindung aufzubauen und herauszufinden, was die wahre Motivation der Klient:innen sein könnte.
Grundprinzipien der systemischen Therapie
Die systemische Beratung und Therapie zeichnet sich durch einen neutralen und ressourcenorientierten Ansatz aus. Anstatt zu bewerten, versuchen die Berater:innen, die Perspektive der Klient:innen zu verstehen und empathisch auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen. Die systemische Methode betont, dass alle Klient:innen durch dessen Verhalten versuchen, eine Lösung für ein bestimmtes Problem zu finden, auch wenn diese Lösung nicht offensichtlich ist. Dies erfordert von Fachkräften eine offene Haltung und die Bereitschaft, die Motivation und Widerstände der Klient:innen zu erforschen.
Wichtige Methoden in der Arbeit mit unmotivierten Klienten:innen
Unmotivierte Klient:innen stellen hohe Anforderungen an die Kreativität und das Einfühlungsvermögen der Berater:innen und Therapeut:innen. Folgende Methoden haben sich in der Praxis bewährt:
- Zwangskontexte als Ansatzpunkt nutzen
Manchmal sind Klient:innen durch externe Einflüsse oder Zwangskontexte wie das Rechtssystem oder Maßnahmen zur Suchtprävention zur Beratung verpflichtet. Diese Kontexte können als erste Grundlage genutzt werden, um eine Arbeitsbeziehung aufzubauen und das Vertrauen der Klient:innen zu gewinnen.
- Neutralität und Vermeidung von Wertungen
Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Neutralität. In der systemischen Therapie wird Wert darauf gelegt, den Klient:innen ohne Bewertung zu begegnen. Anstatt Fehlverhalten zu verurteilen, helfen die Berater:innen den Klient:innen, sich selbst besser zu verstehen und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.
- Empathie und Verständnis als Grundlage
Um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, sollten Fachkräfte den Klient:innen empathisch begegnen und dessen Motivationen erforschen. Besonders hilfreich ist es, mit den Klient:innen über deren Sicht der Dinge und dessen Lebenswelt zu sprechen und so eine vertrauensvolle Basis zu schaffen.
- Veränderungsbereitschaft durch kleine Schritte fördern
Um die Bereitschaft zur Veränderung zu fördern, arbeiten systemische Therapeuten mit den Klient:innen an kleinen, erreichbaren Zielen. Diese Herangehensweise reduziert das Gefühl der Überforderung und ermöglicht es den Klient:innen, erste positive Erfahrungen zu sammeln.
Vorteile der Arbeit mit unmotivierten Klient:innen für Klient:innen und Fachkräfte
Die Arbeit mit unmotivierten Klient:innen kann sowohl für die Klient:innen als auch für die Fachkräfte eine bereichernde Erfahrung sein. Hier sind einige zentrale Vorteile:
Für die Klient:innen
- Selbstreflexion und neue Perspektiven: Unmotivierte Klient:innen erhalten in der Beratung die Möglichkeit, ihre Probleme aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dadurch können sie oft neue, für sie selbst überraschende Lösungsansätze entwickeln
- Verbesserte Beziehungen: Durch die systemische Beratung können Klient:innen oft ihre zwischenmenschlichen Beziehungen verbessern, da sie ihre eigenen Verhaltensweisen reflektieren und alternative Handlungsstrategien entwickeln
- Langfristige Veränderung: Besonders in Zwangskontexten zeigt sich, dass Klient:innen oft längerfristige Veränderungen durchlaufen, wenn sie zur Beratung „gezwungen“ sind, als dies bei freiwilligen Teilnehmer:innen der Fall ist
Für die Fachkräfte
- Erweiterung des Methodenspektrums: Die Arbeit mit unmotivierten Klient:innen erfordert Kreativität und die Bereitschaft, verschiedene systemische Techniken anzuwenden, um einen Zugang zu finden. Dies erweitert das Repertoire der Fachkräfte und fördert die persönliche Entwicklung
- Stärkung der Resilienz: Die Arbeit mit Klient:innen, die Widerstand zeigen, stärkt das Einfühlungsvermögen und die Resilienz der Fachkräfte, da sie lernen, auch schwierigen Situationen positiv zu begegnen
- Mehr Einblicke in menschliche Verhaltensweisen: Unmotivierte Klient:innen bieten einen wertvollen Einblick in die vielfältigen Motivationen und Verhaltensweisen von Menschen. Dies hilft Fachkräften, ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen und Probleme ihrer Klient:innen zu entwickeln
Anwendung systemischer Methoden in verschiedenen Bereichen
Systemische Methoden finden Anwendung in zahlreichen Bereichen. Hier sind einige Felder, in denen die Arbeit mit unmotivierten Klient:innen von großer Bedeutung ist:
- Justizvollzug und Jugendgerichtshilfe
Im Justizvollzug oder der Jugendgerichtshilfe werden Klient:innen oft zur Teilnahme an Beratungen verpflichtet. Hier helfen systemische Methoden, die innere Motivation der Klient:innen zu wecken und sie auf neue Denkweisen und Verhaltensweisen vorzubereiten.
- Suchtprävention und Rehabilitation
In der Suchtprävention arbeiten Fachkräfte mit Menschen, die meist durch externe Anweisungen oder Gerichtsbeschlüsse zu Entzugsmaßnahmen verpflichtet werden. Hier ermöglichen systemische Techniken den Klient:innen, ihre Lebensgeschichte und die Gründe für ihr Verhalten zu reflektieren.
- Familientherapie und Konfliktmediation
In der Familientherapie treffen Berater:innen oft auf Klient:innen, die gegen ihren Willen an den Sitzungen teilnehmen, z. B. weil sie von Familienmitgliedern oder Partnern dazu gedrängt wurden. Systemische Berater:innen nutzen empathische Techniken, um eine Basis für Zusammenarbeit zu schaffen.
- Verkehrspsychologische Beratung
In der verkehrspsychologischen Beratung, beispielsweise nach Führerscheinverlust, treffen Fachkräfte oft auf Menschen, die ihr Verhalten ändern müssen. Systemische Methoden helfen hier, tiefere Motivationen aufzudecken und den Klient:innen zu unterstützen, Verantwortung zu übernehmen.
Fazit: Die Bedeutung und Vorteile der systemischen Arbeit mit unmotivierten Klient:innen
Die systemische Arbeit mit unmotivierten Klient:innen ist ein herausforderndes, jedoch äußerst bereicherndes Tätigkeitsfeld für Berater:innen, Coach:innen und Therapeuten:innen. Sie erfordert nicht nur Kreativität und Flexibilität, sondern auch ein hohes Maß an Empathie und Offenheit. Fachkräfte, die sich in diesem Bereich weiterentwickeln, können von einem tieferen Verständnis für die menschliche Motivation profitieren und gleichzeitig lernen, auch in schwierigen Kontexten positive Ergebnisse zu erzielen. Die Arbeit mit unmotivierten Klient:innen fördert die Resilienz und das methodische Können der Fachkräfte und bietet den Klient:innen eine Chance auf Reflexion und Veränderung.
Dieses Thema wurde in unserer Podcastfolge Podcast „Unmotivierte Klienten“ mit Dr. Marie-Luise Conen vertieft, in dem die erfahrene Therapeutin ihre persönlichen Erfahrungen und Techniken zur Arbeit mit unmotivierten Klient:innen teilt. Für Fachkräfte, die in diesem Bereich tätig sind oder sich weiterentwickeln möchten, bietet dieser Podcast eine wertvolle Quelle für Inspiration und praxisorientierte Ratschläge.
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